6-Stunden-Lauf Münster

Samstagmorgen höre ich bewusst den Wetterbericht auf WDR5 um 6.00 Uhr und um 6:30. Beide Male gleicher Tenor: Es soll kalt werden, von Wärme keine Spur. Vor allem im Münsterland, und das ist unser Ziel, ist der Himmel bedeckt mit Neigung zu leichten Niederschlägen. Erst zum Wochenbeginn sollen die Temperaturen spürbar steigen. Davon habe ich aber heute nichts. Was ziehe ich für den Wettkampf an? Bin ich zu Beginn overdressed und muss somit zwischendurch die Kleidung wechseln? Möglich ist es, denn ich werde in einer (ehemaligen) Kaserne der Bundeswehr laufen. Habe ich aber die Zeit und Lust, dafür einen „Boxenstopp“ einzulegen?

 

Fragen über Fragen. Zugegeben, ich jammere auf hohem Niveau. Wenn sonst nichts ist…..

 

Wir fahren zu fünft nach Münster. Wir, das sind Sabine, Hansi und Hans von den Endorphinjunkies Dortmund sowie Ilona, eine langjährige Lauffreundin, und ich. Die Hinfahrt verläuft äußerst kurzweilig, alle sind sehr redselig, vermutlich um die Anspannung und Vorfreude auszudrücken. Früh, fast zu früh, erreichen wir das Gelände, auf dem sich jetzt Sport- und Kunstinstitute der Uni Münster befinden. Gleich zu Beginn nehmen wir an einem reichhaltigen Frühstück teil. Es gibt Brötchen mit Marmelade, Wurst und Käse sowie Kaffee und Tee in beliebiger Menge. In diesem Raum werden auch praktischerweise die Startunterlagen ausgegeben. Ansonsten finden hier Veranstaltungen der Sportwissenschaftler statt. Die Wände sind voller DIN A 0 Bogen mit Lernhinweisen. Mir fällt ein Blatt besonders auf: Was ein Marathontrainer beachten sollte oder so. Gut, dass ich keiner bin, ich hätte vieles falsch gemacht. Sicherheitshalber fotografiere ich dieses Papier auch nicht.

 

Ich entscheide mich als Wettkampfkleidung für ein Sweatshirt, darüber mein quittegelbes Finishershirt vom Meller Bahnmarathon, wie auf den Bildern unschwer zu erkennen ist. Einen Kleidungswechsel nehme ich nicht vor, laufe also sechs Stunden im selben Outfit. Ich verzichte auf eine Kopfbedeckung, allerdings nicht auf Handschuhe. Es wird bis zum Schluß empfindlich kalt bleiben. Hinzu kommt ein unangenehmer Wind, der teils kräftig von vorn bläst.

 

Pünktlich versammeln sich die etwa 140 Läuferinnen und Läufer im Startbereich, der durch einen blauen „Brooks“Bogen markiert ist und unter dem sich die elektronische Rundenzählanlage befindet. Christian hält eine kurze Einführung und weist auf die Besonderheiten der Veranstaltung hin. Jeder Fußwerker trägt einen Transponder, der am Schnürsenkel befestigt ist. Bei jedem Überlaufen der Anlage wird ein Impuls ausgelöst, der die Rundenzahl jeweils um 1 erhöht. Da jede Runde 1522 Meter lang ist, weiß ich somit immer, wie viele Kilometer ich zurückgelegt habe.

 

Ilona und ich beschließen, gemeinsam zu beginnen. Je nach Rennverlauf kann dann jeder von uns sein eigenes Tempo finden. Nach dem Start laufen wir zunächst auf Kopfsteinpflaster leicht bergab, um nach etwa 150 Meter links in einen flachen Teil zu gelangen. Nach weiteren 200 Metern führt uns der Weg wieder leicht bergauf. Wir sind damit wieder auf gleicher Höhe wie zu Beginn der Runde. Es folgt der schwierigste Teil der Strecke, nämlich buckeliges, roh verlegtes Natursteinpflaster mit Sturzrisiko. Ich versuche nicht mir vorzustellen, wie es mir in fünf Stunden ergeht, wenn Kräfte und Aufmerksamkeit nachlassen. Wir lenken unsere Schritte durch ein von vielen Kurven und Ecken geprägtes Areal, vorbei an einer, wie ich es nenne, überdimensionierten Tischtennisplatte in den für mich angenehmen Part der Strecke. Hier können wir es rollen lassen, Zeit rausholen. Wir nähern uns allmählich wieder dem Startbereich, noch einige kleine links-rechts Kurven und schon ist die erste Runde vollendet, naja eine Runde ist es nicht, vielmehr ein Kurs gespickt mit Ecken und Kanten. Unmittelbar hinter dem Start befindet sich die reichhaltig bestückte Verpflegungsstelle. Hier bekommst Du alles, was für einen Ultralauf erforderlich ist, nämlich Cola, Tee und Elektrolyte ebenso wie feste Nahrung in Form von Salzgebäck, Kuchen und Obst.

 

Ilona, leicht erkältet und deshalb tempomäßig zurückhaltend, bleibt bei mir. Sie beschließt, mit dem Marathon den Lauf zu beenden. Da das bei der Streckenlänge rundenmäßig nicht ganz aufgeht, läuft sie doch schon in den Ultrabereich hinein. Bis dahin bleibt genügend Zeit für erfrischende und unterhaltsame Gespräche. Toll, mit Ilona zu laufen.

 

Ich laufe weiter und hoffe, mein Ergebnis aus dem letzten Jahr verbessern zu können. Ich fühle mich wohl, habe noch ausreichend Luft, um mich mit anderen LäuferInnen zu unterhalten. Es sind doch interessante Leute dabei. So zum Beispiel Birgit, die im Juni in Emsdetten einen doppelten Triathlon absolvieren will. Boah, allein 360 Kilometer auf dem Rad, mein Allerwertester wäre auf Jahre ramponiert. Ich laufe mit Johann, dem ältesten Teilnehmer mit 74 Jahren. Das sind zwei Beispiele, die mir besonders im Gedächtnis haften bleiben.

 

Um die Distanz der letzten Umrundung festzustellen, erhält jeder Teilnehmer einen mit Sand gefüllten Luftballon, an dem die Startnummer befestigt ist. Und den läßt Du dann einfach fallen. Bis zu dieser Stelle wird dann die Meterzahl dieser Runde ermittelt. Praktisch und anders wohl kaum machbar, um ein brauchbares Ergebnis zu erzielen.

 

Nach dem Lauf gibt es leckeres Pott’s Weizen alkoholfrei sowie ein schmackhaftes Nudelgericht. Alle Finisher erhalten eine „Hundemarke“ als Medaille. Erinnerungen an meine Bundeswehrzeit werden wach.

 

Die Rückfahrt verläuft wieder sehr gesprächig. Wir sind angetan und begeistert. Ilona, Sabine und Hans sind wunschgemäß Marathon gelaufen, während Hansi und ich die Zeit voll für einen Ultralauf genutzt haben. Ich laufe etwa 100 Meter mehr als im letzten Jahr. Und dafür benötige ich sechs Stunden. Ein wenig Verrücktheit gehört eben dazu.

 

Ein schöner, unterhaltsamer und kurzweiliger Samstag ist beendet. Mir hat es gefallen, und wenn ich gesund bleibe, bin ich im nächsten Jahr, dann in einer anderen Location, wieder dabei.

 

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